Vermittlungsarbeit in Museen ist häufig nur momenthaft sichtbar: Schüler*innengruppen, die sich im Rahmen von Workshop- und Gesprächsformaten im Museumsraum aufhalten, mit Klemmbrett ausgestattete einzelne Jugendliche, die Notizen zu Werken festhalten. Künstlerisch-praktisch arbeitet diese Besucher*innengruppe meist in den abgeschlossenen Räumen der Bildungsabteilung, nicht selten in Kellern und „Hinterzimmern“. Die Prozesse und Ergebnisse dieser Arbeit des Museums bleiben häufig unsichtbar. Durch die Nutzung und Bespielung von insgesamt drei Räumen im Ausstellungsrundgang durch lab.Bode, erfuhr die Vermittlungsarbeit im Rahmen des Vermittlungslabors am Bode-Museum einen neuen, gesteigerten Grad an Sichtbarkeit. Prozesse und Ergebnisse aus der Arbeit mit Schüler*innen waren für alle – auch die regulären Besucher*innen – ein sichtbarer Teil des Museumsraums. Genutzt wurden die Räume auch, um den beteiligten Schüler*innen eine Möglichkeit der Präsentation zu geben und ihre Perspektiven auf das Museum und seine Objekte sichtbar zu machen. Zwei Klassen entwickelten in diesem Rahmen unterschiedliche Ausstellungen – Loading… (2018) und Lebewesen, die mal keine Menschen sind (2021) –, die hier beispielhaft vorgestellt und vor dem Hintergrund ihrer Wirkungen auf das Museum reflektiert werden sollen. Beide Ausstellungen stellten einen bewussten Gegenentwurf zu der gängigen Ausstellungspraxis des Museums dar und wirkten unterschiedlich stark in das Museum und seine verschiedenen Abteilungen hinein.
Im Projekt Loading…, das Anfang 2018 als erstes Projekt von lab.Bode die Räume der Initiative für die Dauer von zwei Wochen als Ausstellungsraum nutzte, wurden die Schüler*innen des Kunstleistungskurses des Barnim-Gymnasiums zu Kurator*innen ihrer eigenen Ausstellung. Die thematische Fokussierung, die Konzeption und Gestaltung der Ausstellung und einer dazugehörigen Publikation waren den Schüler*innen in Zusammenarbeit mit der freien Kuratorin Anja Lückenkemper sowie punktuell Tischler*innen und einem Grafiker überlassen. Der Wunsch der Schüler*innen und Kunstlehrerin, eigene skulpturale Arbeiten aus dem Kunstunterricht in der Schule in Dialog mit historischen Kunstwerken des Museums zu zeigen, wurde als Rahmen bereits vor Beginn des Projekts zwischen lab.Bode und der Schule vereinbart.
Ein Ausgangspunkt zur Entwicklung der Ausstellung, der von Anja Lückenkemper vorgeschlagen wurde, war die Betrachtung der Sonderausstellung und Dauerausstellung des Bode-Museums und damit die Frage: Was ist momentan im Museum sichtbar? Bei ihrem ersten Besuch des Museums bekamen die Schüler*innen einen Fragenkatalog zur Reflexion der Ausstellung mit auf den Weg: Wer spricht? Wer schweigt? Was funktioniert? Was fehlt? Welcher Logik folgt der Ausstellungsraum? Wie bewegen sich die Besucher*innen? Welche Elemente (physisch und nicht-physisch) strukturieren den Raum? Wie vermittelt sich Information? In der anschließenden Diskussion wurde der Versuch unternommen, das Bode-Museum als Ausstellungsort auf Grundlage dieser Beobachtungen zu beschreiben und seine Wirkung zu reflektieren. Die Antworten variierten von „interessant, aber langweilig“ bis hin zu „elitär“ und „zu europäisch“.
Der Begriff „elitär“ fällt auch im Einleitungstext der von den Schüler*innen konzipierten und gestalteten Publikation zur Ausstellung. Der Schlusssatz „Sind viele Ohren zu klassisch geprägt oder einfach nur beschränkt?“ kann auch als Kritik an der sichtbaren Ausstellung des Bode-Museums gelesen werden.
Um einen Gegenpool zu der als „zu elitär“ empfunden Ausstellung herzustellen, entschlossen sich die Schüler*innen, die Besucher*innen aktiver einzubeziehen. So entwarfen sie einen Raum, der mit einer bequemen Sitzecke ausgestattet, mit einem Haufen kinetischem Sand, der bearbeitet und geformt werden durfte, und mit Musik die Besucher*innen zum Gestalten und Verweilen einlud. Insbesondere bei der Eröffnung, aber auch über die Laufzeit hinweg, wurde diese Setzung zur Beteiligung der Besucher*innen positiv aufgenommen.
Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt, der sich im Einleitungstext der Publikation spiegelt, war das Vorhaben der Schüler*innen, nicht das abgeschlossene Werk in den Fokus zu setzen, sondern den Prozess seiner Entstehung präsent zu machen. So installierten sie beispielsweise Vorskizzen ihrer eigenen Arbeiten in den Ausstellungsräumen, legten die Werkzeuge der Produktion ihrer skulpturalen Werke offen, deckten die Tische mit Folien ab und erschienen zur Eröffnung in Schutzanzügen. Sie setzten visuell und symbolisch einen Kontrapunkt zur aktuellen Präsentation im Bode-Museum, die abgeschlossen, perfekt und damit – so meine These – auch ausschließend wirken kann.
Über die Laufzeit von zwei Wochen hinweg wurde also eine Ausstellung im Rundgang des Bode-Museums sichtbar, die mit dem Museum und seinen Sammlungen arbeitete, zugleich jedoch das Museum, seine Präsentationsformen und die fehlende Aktivierung der Besucher*innen durch den Gegenentwurf kritisierte sowie um ein eigenes Angebot erweiterte. Obwohl die Ausstellung Teil von lab.Bode, also institutionell verankert war, wirkte sie nicht weit in die Strukturen des Museums hinein. Restaurator*innen wurden punktuell involviert, wenn es beispielweise um die Anfertigung von Reproduktionen ging, und der Direktor sowie einige Mitarbeiter*innen des Hauses erschienen zur Eröffnung und lobten das Projekt. Es blieb jedoch ein Projekt, das zwar sichtbar war, in der Kommunikation nach außen von Museumsseite jedoch unter dem Radar lief. Menschen, die sowieso das Bode-Museum besuchten, stolperten eher über die Ausstellung, als dass sie für das Projekt bewusst ihren Besuch geplant hätten. Es gab keine Präsenz auf der Webseite des Museums, keine Pressemitteilung oder Werbung. lab.Bode stand noch am Anfang der Arbeit und machte sich mit der Sichtbarkeit und der Frage, wie weit die Vermittlung in die Strukturen des Museums hineinwirken kann, erst vertraut. Laoding… war trotzdem ein erster Versuch und wichtiger Schritt auf dem Weg, Schüler*innenperspektiven sichtbar zu machen und die Vermittlungsarbeit sowie Teilhabe auch in anderen Abteilungen des Museums zu verankern. Schließlich hatte die Ausstellung gezeigt, dass Ausstellungen von Schüler*innen in den Rundgang integriert werden können und machte Mut, in folgenden Projekten einige Schritte weiter zu gehen.
Zwei Jahre später waren viele weitere Schritte gegangen und dies wurde mit der zweiten von Schüler*innen kuratierten Ausstellung Lebewesen, die mal keine Menschen sind sichtbar. Sie wirkte deutlich weiter in die Abteilungen des Museums und seine Strukturen hinein. Entwickelt wurde diese Ausstellung mit einer fünften Klasse der Grunewald-Grundschule. Vergleichbar zu Loading… schafften die Schüler*innen einen ästhetischen und thematischen Kontrapunkt zu den klassischen Ausstellungen des Bode-Museums. Sie entschieden sich, ein für sie relevantes Thema in den Mittelpunkt zu stellen: Artensterben, Tierschutz und Klimawandel. Die Exponate, die sie aus den Depots auswählten, waren Tierdarstellungen aus unterschiedlichen Epochen. Platziert wurden die Objekte auf unterschiedlich hohen Sockeln, um es auch kleineren Personen zu ermöglichen, die Skulpturen auf Augenhöhe wahrzunehmen. Farblich entschieden sie sich für kräftige, leuchtende Farben im Gegensatz zur farblich zurückhaltenden Raumgestaltung des Bode-Museums. Ähnlich wie auch schon bei Loading… installierten sie Lautsprecher, aus denen in dieser Ausstellung jedoch Tier- und Naturgeräusche zu hören waren. Begleitet wurde das Projekt von zwei Kunstvermittler*innen – Renée und Thomas Rapedius – sowie punktuell Architekt*innen und eine Grafikdesignerin, die die Entwürfe und Vorstellungen der Kinder zur Umsetzung brachten.
Anders als bei dem Projekt Loading…, für das noch Reproduktionen von Kunstwerken für die Schüler*innenausstellung angefertigt wurden, war es für das neue Projekt gesetztes Ziel, mit Originalen aus den Sammlungen des Bode-Museums zu arbeiten. Depots, die normalerweise für Besucher*innen unsichtbar sind, wurden für die Kinder zugänglich gemacht – ein besonderes, exklusives Erlebnis, das einige der Schüler*innen als den „schönsten Moment“ im Projekt beschrieben. Die Arbeit mit den Originalen erforderte eine starke Involvierung sowohl einiger Kurator*innen, vor allem aber der Restaurierungsabteilung. So begleitete der Restaurator Klaus Leukers das Projekt von Anfang an und wurde wichtiger Akteur und Ermöglicher einer Ausstellung, die wie bereits Loading… stark auf die Teilhabe der Schüler*innen setzte.
Neben der Arbeit mit den Originalen und der damit verbundenen Arbeit über die Abteilungsgrenzen hinweg, wurde die Ausstellung auf der Webseite gleichwertig wie die anderen Wechselausstellungen angekündigt.
Auch an der Außenfassade des Museums wurde auf einem Banner für die Ausstellung geworben. Damit wurde ein auf Teilhabe basierendes Projekt zu einem Projekt, das die Abteilungsgrenzen überschritt. Es wurde in einer Praxisgemeinschaft zwischen Akteur*innen aus der Vermittlungs- und der Restaurierungsabteilung sowie in Ansätzen der Kommunikationsabteilung zusammengearbeitet. Kurator*innen des Hauses, die den Projekten von lab.Bode häufig kritisch gegenüber standen, fanden großen Gefallen an der Ausstellung und plädierten für eine Verlängerung der Laufzeit. Lebewesen, die mal keine Menschen sind, die Arbeit mit originalen Kunstwerken und die große Sichtbarkeit als Sonderausstellung des Museums wäre zu Beginn von lab.Bode nicht möglich gewesen. Weder besaßen wir als Team von lab.Bode den Mut, so weit in das Museum hineinzuwirken und beispielsweise die Arbeit mit Originalen einzufordern, noch waren Beziehungen gewachsen, die auf genug Vertrauen basierten, dies zu realisieren.
Mit Programmende 2021 wurde einer der drei lab.Bode-Vermittlungsräume im Ausstellungsrundgang als Sonderausstellungsraum umgewidmet, in dem auch Kooperationen zwischen der kuratorischen und der Vermittlungsabteilung stattfinden können. Es bleibt zu hoffen, dass die Ausstellungen von lab.Bode den Möglichkeitsraum für Zusammenarbeiten und ihre Qualitäten erweitert haben und weitere Ausstellungen, in denen Teilhabe im Zentrum steht, dort anschließen, wo lab.Bode aufgehört hat.